Der Spanier, der seit vielen Jahren den ambivalenten Titel des „Skandalregisseurs“ trägt, hat auf der Bühne der Staatsoper keineswegs eine Skandalinszenierung aufgeführt. Bestenfalls inkompatibel, was mitunter die eigenen Stärken zunichte macht. Mal gelingt es dem 58-jährigen Beito, aussagekräftige Symbolbilder vom seelischen Leiden seiner Figuren zu schaffen, mal enttäuscht er sie – im wahrsten Sinne des Wortes.
Isolde von Martina Serafin und Tristan von Andreas Schager hängen bereits zu Beginn der 1865 uraufgeführten Liebesekstase an den Seilen – oder sitzen auf den daran befestigten, von der Decke hängenden Riesenschaukeln. Daneben Kinder, die mit verbundenen Augen Gottfried Helnweins Gemälden entstiegen zu sein scheinen. Und während Isolde trocken bleibt, wälzt sich Tristan in den Wasserpfützen auf dem Bühnenboden. Die Kneipp-Therapie ist gesund, aber im Moment ein traditionelles Stilmittel.
Gleichzeitig demonstriert Beito seine Fähigkeit, Menschen hier zu führen, indem er alle Charaktere auf der Bühne hält und sie in Spielkonstellationen gruppiert. So wird die von Isolde beschriebene Geschichte der beiden Liebenden anschaulich dargestellt, Zeitebenen überlagern sich. Beatto trennt Aktion und Schauspiel, vergleicht Gesungenes und Gespieltes frei, ähnlich wie Richard Wagner, der schließlich in „Tristan“ seine Aufmerksamkeit von der Handlung des Stücks auf die inneren Bewegungen der Figuren richtet.
Wir alle wissen, dass Fernbeziehungen ermüdend sein können – und im zweiten Akt erschafft Beethoven ein konsequentes Symbol für die unüberwindbare Distanz zwischen den beiden Liebenden, indem er sie in zwei schwebenden Räumen positioniert. Sie werden von den beiden im hormonellen Wirrwarr der Gefühle abgebaut wie die Konventionen, für die sie stehen. Als Tristan bei „In Your Darkness, in My Light“ jedoch mehrfach eine Tischlampe anzündete, wurde die Grenze zur unfreiwilligen Komik überschritten.
Die ästhetische Dissonanz scheint hier noch größer, da der Hauptton dieses „Tristan“ im Dunkeln erhalten bleibt und die Schatten an der Wand manchmal der einzige Lichteindruck sind. Beatto positioniert seine Charaktere als Nachtfiguren, die im Nebel der Emotionen und im De-facto-Nebel gefangen sind. Nur wenige nackte Menschen, wie es oft bei Bieito der Fall ist, gruppieren sich im 3. Akt zu Metaphern der Liebe und bilden ansonsten wie eine Popparade einen schönen Bühnenabschluss.
Auch ohne Erschöpfung machen die beiden Hauptfiguren des Abends auf sich aufmerksam. Andreas Schager, der jetzt wie Jonas Kaufmann mit Vollbart aussieht, versteht es, seinen Tristan trotz kleiner Ermüdungsmomente als sichere Wette mit offenem Tenor zwischen strahlendem Heldentum und schattenhafter Dunkelheit zu gestalten. Martina Serafin, die wie ihre Kollegin zum ersten Mal an der Staatsoper auftritt, spiegelt ihre Isolde-Position im ersten Akt als Furie mit einem starken, scharfen Timbre wider und versteht es doch, sich in Sehnsucht zu verwandeln, auch wenn ihre „ „Verklärung“ des Endes ist weniger ätherisches Eintauchen als strenge Anbetung.
Nebenrollen wie Ekaterina Gubanovas, Brange, als treue und fürsorgliche Dienerin konzipiert, und nicht nur die unsichtbar gekleidete Marke von Starbassist Rene Pape, bleiben Bemerkungen bei Beatto. Nur Kurwenal Iain Patersons steigt in Akt 3 zu einem berührenden mitfühlenden Freund auf und gewinnt an Tiefe.
Andererseits war der Abend zweifelsohne der Auftritt des Musikdirektors Philip Jordan mit dem Orchester der Staatsoper, der schon bei den Umzügen beklatscht wurde. Eine sehr feine, stellenweise zurückhaltende Interpretation lässt Raum für Phrasierungen, die dem orgiastischen Klangfluss Konturen geben und gleichzeitig keine Angst vor Ekstase haben. Hier gelingt die Kombination einzelner Momente mit einem großen Bogen, worunter Beitos Interpretation leidet.
(SERVICE – „Tristan und Isolde“ von Richard Wagner an der Staatsoper, Opernring 2, 1010 Wien. Musikalische Leitung: Philip Jordan, Inszenierung: Calicsto Beatto, Bühne: Rebecca Ringst, Kostüme: Ingo Kruegler. Mit Tristan – Andreas Schager, Stempel – Rene Pape, Isolde – Martina Serafin, Curvenal – Ian Patterson, Brange – Ekaterina Gubanova, Melot – Clemens Unterreiner, Hirt – Daniel Jenz, Hermsman – Martin Hessler, The Voice of the Sailor – Josh Lovell und 1. Mai)
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