Patriarch Kirill wurde scharf dafür kritisiert, Russlands moralischen Angriff auf die Ukraine zu rechtfertigen.
Ich stimme dem österreichischen Metropoliten zu, der ihn kategorisch verurteilt hat. Aber ich kenne die internen Abläufe der russisch-orthodoxen Kirche nicht.
Wie beurteilen Sie den Besuch von Bundeskanzler Nehamer bei Wladimir Putin?
Ich habe auch gemischte Gefühle. Sie müssen nur die Kommunikationskanäle nutzen, die Sie haben. Wenn der Papst die russische Botschaft im Vatikan betritt, bedeutet das etwas. Welcher Staatschef macht das? Das bedeutet, den Chat-Kanal offen zu halten, aber was sind Ihre Erwartungen, wenn Sie sich anmelden? Das ist einerseits ein großes Zeichen, andererseits: Von ihm darf man nichts erwarten.
In der Bischofskonferenz sind Sie von der Ausbildung her Fachbischof. Wie erklärt man einer Generation, die den Krieg nur aus Geschichtsbüchern kennt – der gleichen Generation, die sich mit der Pandemie und dem Fernunterricht auseinandersetzen musste – die aktuellen Ereignisse?
Da musst du die Lehrer fragen. Ich habe vollen Respekt vor Lehrern. Aber wenn ich höre, wie voll die Jugendpsychiatrischen Kliniken gerade sind, stelle ich mir wirklich Fragen. Gleichzeitig weiß ich aus Gesprächen mit dem 95-jährigen Generalvikar der Diözese, was ihm das jetzt bereitet. Er sagte, er könne drei Tage lang nicht schlafen, weil seine militärischen Erfahrungen plötzlich wieder auftauchten. Gleichzeitig ist es für mich ein Aufruf an die Gesellschaft: Vergebt einander, in Beziehungen, in der Gesellschaft, geht aufeinander zu!
Stichwort Krone: Die Bischofskonferenz hat sich nach zähem Ringen und viel Kritik aus den eigenen Reihen für die Impfpflicht ausgesprochen …
Nein, tun wir nicht. Wir sagten, dass der Staat als letztes Mittel eine Impfpflicht für das Gemeinwohl erlassen sollte. Wenn der Staat glaubt, nichts hilft mehr als die Pflichtimpfung, dann kann er das tun. Aber das ist nicht unsere Zustimmung.
Wie sehen Sie den Zickzackkurs der Regierung im Umgang mit der Pandemie?
Ich stimme Kardinal Christoph Schönborn zu: Das Virus, nicht die Regierung, bewegt sich im Zickzack. Und zweitens möchte ich nicht dafür verantwortlich sein, zu wissen, was ich aus wissenschaftlichen Entdeckungen nehme, um eine Entscheidung zu treffen. Bei uns war es genauso. Immer wieder wird uns vorgeworfen, den Staat unseren Maßnahmen unterzuordnen. Aber tut mir leid, sind wir Bürger oder nicht? Macht das Virus vor der Kirchentür halt oder nicht?
Man würde vermuten, dass sich die Menschen in Krisenzeiten mehr dem Glauben zuwenden. Aber Umfragen zufolge sehen 70 Prozent der Österreicher die Kirche heute an Bedeutung verloren, verglichen mit nur 35 Prozent im Jahr 1986.
Seitdem ist auf der ganzen Welt viel passiert. Wir brauchen nicht zu argumentieren, dass es einen Vertrauensverlust gibt, das ist klar. Aber das sind verschiedene Dinge, ich frage mich kritisch: wovon gehen wir aus, was wollen wir eigentlich im Moment? Wir, also Vertreter der Kirche, machen den Mund auf und alle springen auf? Ist das wirklich das Ideal?
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