„Die Zeit, in der die Wirtschaft von Reserven leben kann, ist vorbei“, sagte Notenbankgouverneurin Elvira Nabiulina am Montag. Im Frühjahr und Sommer beginnt die Phase des Strukturwandels und der Suche nach neuen Geschäftsmodellen. Bisher haben Sanktionen vor allem den Finanzmarkt getroffen. “Aber jetzt werden sie zunehmend die Wirtschaft beeinflussen”, warnte Nabiulina.
Hauptprobleme dürften Importrestriktionen und eine erschwerte Logistik im Außenhandel sein. Auch Ausfuhrbeschränkungen dürften zunehmend ins Gewicht fallen. „Russische Hersteller müssen nach neuen Partnern und Logistikmöglichkeiten suchen oder auf die Produktion von Produkten früherer Generationen umsteigen“, sagte Nabiulina.
“Das alles wird dauern”
Exporteure wiederum müssen sich neue Kunden suchen. „Das alles wird Zeit brauchen“, sagte der Notenbanker. Nabiulina sagte kürzlich, die Wirtschaft des Landes befinde sich in Bezug auf Sanktionen in einer „extremen“ Situation. “Wir alle wünschten, das wäre nicht passiert”, wurde sie zitiert, was zuletzt Gerüchte nährte, Nabiulina wolle aus Protest gegen den Krieg zurücktreten.
Und da viele ausländische Unternehmen dem Land schnell den Rücken kehrten und Geschäfte verschwanden, bedeutet dies auch steigende Arbeitslosigkeit: Allein in der Hauptstadt Moskau befürchte man den Verlust von 200.000 Arbeitsplätzen, sagte Moskaus Bürgermeister Sergej Sobjanin am Montag. Die Stadtverwaltung wolle Arbeitslose bei der Ausbildung und bei gesellschaftlich wichtigen Aufgaben unterstützen, schrieb Sobyanin in seinem Blog.
17,49 Prozent Inflation
All dies geschieht in einer Inflationswelle – denn auch Zentralbankchefin Nabiulina macht in Sachen Inflation nicht alles klar. Es wird bis 2024 dauern, bis die Inflation wieder das Vier-Prozent-Ziel erreicht. Mit 17,49 Prozent liegt er derzeit auf dem höchsten Stand seit mehr als 20 Jahren, da seit Beginn der russischen Invasion in der Ukraine fast alles gestiegen ist, von Zucker über Gemüse bis hin zu Smartphones und Kleidung.
Tests mit dem digitalen Rubel
Die Zentralbank erwäge, den Verkauf von Deviseneinnahmen von Exporteuren flexibler zu gestalten, sagte Nabiulina. Bisher mussten sie 80 Prozent ihrer Deviseneinnahmen in die Landeswährung Rubel umtauschen. Auch die Frage der digitalen Rubel muss getestet werden. Dies sollte es den Russen ermöglichen, Überweisungen zwischen digitalen Geldbörsen durchzuführen. Die ersten Pilotprojekte sollen in der zweiten Jahreshälfte starten.
Als Reaktion auf die Sanktionen hat die russische Zentralbank ihren Leitzins auf 20 Prozent mehr als verdoppelt. In diesem Monat fiel sie jedoch auf 17 Prozent. Russland marschierte am 24. Februar in die Ukraine ein. Westliche Länder verhängten daraufhin mehrfach verschärfte Sanktionen. So wurde Russland weitgehend vom internationalen Zahlungssystem SWIFT abgeschnitten, der Handel beispielsweise mit Hochtechnologie stark eingeschränkt.
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