250.000 Euro zinsloses Darlehen, 24.000 Euro Lebensversicherung, handschriftliche Kontoauszüge. Es gibt nur wenige Punkte in der aktuellen Sache rund um den Vorarlberger Wirtschaftsbund.
Am Mittwoch wurde bekannt, dass dem Vorarlberger Wirtschaftsbund wegen einer Betriebsprüfung nach Selbstanzeige eine Nachzahlung in Höhe von 1,3 Millionen Euro angedroht werden könnte. Die Tageszeitungen Der Standard und Vorarlberger Nachrichten berichten nun, dass hochrangige Funktionäre angeblich in großem Stil die Finanzen der Organisation verwendet haben.
Die an die Rechnungsprüfer übermittelten internen Unterlagen sollen zeigen, dass der Wirtschaftsbund in Vorarlberg finanziell sehr gut aufgestellt ist und war. Allein im Jahr 2016 wurden angeblich rund 4,5 Millionen Euro durch Anzeigen in der firmeneigenen Zeitung verdient und es sollen Rücklagen von fünf Millionen Euro vorhanden sein.
Zinsloses Darlehen für einen Sportverein von einem Direktor
Der Standard berichtet unter anderem, dass der jetzige Geschäftsführer des Wirtschaftsverbandes und ehemalige Landeshauptmann (benannt nach dem stellvertretenden Landeshauptmann von Vorarlberg) Karlheinz Rudisser nicht nur zehnmal 500 Euro zahlte, sondern auch Organisationen wie das Rote Kreuz oder ein Fußballverein, bei dem ein ehemaliger Geschäftsführer des Wirtschaftsbundes als Jugendtrainer tätig sein soll, sollen Zahlungen erhalten haben. Allerdings soll es keine Beweise dafür geben, dass das Geld tatsächlich dort angekommen ist.
250.000 Euro unverzinst für „Laden“
Dokumentiert sind auch Kredite, die angeblich von den ehemaligen Geschäftsführern Jürgen Kessler und Walter Natter abbezahlt wurden. An Kessler sollen 250.000 Euro geflossen sein – als “Anerkennung seines Arbeitspensums”. Seinen Kredit nutzte Kessler offenbar für mehrere Immobilienkäufe – auch für Büroräume seiner ehemaligen Firma, die im Land Vorarlberg ein Anzeigengeschäft für viele Zeitschriften betrieb. Unter anderem für eine 111-qm-Wohnung in Gotzis für 297.000 Euro. Relativ günstiger Kurs. Kessler gehören 50 Prozent der Firma, die ihm die Wohnung verkauft hat.
Die Vereinbarung zwischen dem Wirtschaftsbund und Kessler enthält keine Verzinsung der Zahlung und der Zweck des Darlehens, das als „Erhaltungsleistung“ bezeichnet wird, ist nur eine „private Kapitalanlage in Immobilien“. Die Zahlungen müssen in monatlichen oder jährlichen Raten festgelegt und innerhalb von maximal 15 Jahren abgeschlossen werden. Tritt er vorher aus dem Wirtschaftsbund aus, muss er den Betrag innerhalb von drei Monaten zurückzahlen.
Wegen dieses Darlehens fragten die Finanzprüfer nach den Zinssätzen, aber auch nach der konkreten Laufzeit und den Folgen, wenn die Rückzahlungen nicht geleistet werden. Der Wirtschaftsverband sagt nur, dass “es keine offenen Fragen gibt”, weil das Darlehen als Arbeitgeberdarlehen zurückgezahlt wurde. Sie wurde jedoch nach Rücksprache mit dem Steuerberater als Barvorschuss verbucht – also als Vorschuss auf eine zu erwartende Zahlung des Empfängers und damit unverzinst.
Autos, Lebensversicherungen und Wahlen
Überrascht waren die Finanzbehörden auch davon, dass BMW an den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Nater übergeben wurde, was am Ende seiner Amtszeit im Dezember 2017 geschah. Der Neuwert soll 60.000 Euro betragen haben, ein Jahr später wurde Nater verklagt. nur 33.000 Euro und anscheinend wurde nichts bezahlt. Auch der Buchwert soll laut Wirtschaftsprüfern deutlich höher liegen, nämlich bei rund 49.000 Euro.
Auch die Lebensversicherung von Natter, die 2016 in die Donau Versicherungs AG übergegangen ist, wirft einige Fragen auf. Die Lebensversicherung soll 24.000 Euro betragen haben. Es wird auf das Aufwandskonto „7780 Wahlen“ gebucht. Auch der Ausdruck des Kontoauszugs wurde händisch geändert – die Versicherungsdaten wurden durchgestrichen und durch den Begriff „Wahl des Gemeindevertreters 15“ ersetzt. Auf die Frage, warum eine Zahlung an eine Versicherung auf einem solchen Konto verbucht wird, erklärte der Wirtschaftsbund, dass der aktuellen Geschäftsführung hierzu keine Informationen vorliegen.
Wie viel erhielt die ÖVP?
Die an der Studie beteiligte Journalistin Lara Hagen postete am Donnerstag ein weiteres Beispiel der Prüfungsunterlagen auf Twitter. Die ÖVP behauptet, seit 2014 seien nur 900.000 Euro an Spenden des Wirtschaftsverbandes für die Partei geflossen.
https://twitter.com/Lara__Hagen/status/1517055686953295872
Laut Hagen wurden 4.000 Euro als Ausgaben für die “Christian Zol EU-Wahl” verbucht. Christian Zol kandidiert 2019 als Spitzenkandidat der Jungen Volkspartei für die Europawahl. „Was soll das anderes sein als Unterstützung (das nennt Wallner auch 900k) für die ÖVP, wenn ein Kandidat einer anderen (!) Spitzenorganisation finanziell unterstützt wird?“, sagt Hagen.
Mehr dazu:
Dem Finanzstudium des Wirtschaftsbundes gingen Prüfungen bei Kessler und Natter voraus. Die Finanzverwaltung wurde bereits über Tatsachen informiert, die der Unternehmerverband im Rahmen seiner Selbstauskunft einräumte. Prüfer bezeichneten es als “zweifelhaft”, dass eine Selbstanzeige strafmildernd wirken könnte. Aus den Unterlagen geht nicht hervor, wo die Prüfungen der ehemaligen Manager begannen.
Kessler trat zum 1. April als Direktor des Wirtschaftsbundes zurück. Natter arbeitet jedoch weiterhin für die Unterorganisation.
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