Schon vor Ausbruch der Pandemie war die Belastung der Pflegebranche hoch und ihre Bewältigung bedeutete zusätzliche Aufgaben. „Gleichzeitig ist Fürsorge eine der wichtigsten gesellschaftlichen Herausforderungen, um das Land gut für die Zukunft zu rüsten“, teilte das Sozialministerium am Mittwochnachmittag in einer Aussendung mit.
„Die Regierungsparteien haben sich darauf verständigt, gemeinsam die größte Pflegereform seit Jahrzehnten einzuleiten“, hieß es. Es wurden keine Details veröffentlicht. Vorgestellt wird die Reform von Sozialminister Johannes Rauch (Grüne), dem Präsidenten des ÖVP-Klubs August Wöginger und dem Präsidenten des Grünen-Klubs Sigi Maurer.
APA/Georg Hochmuth Sozialminister Rauch wollte noch vor dem Sommer die Pflegereform vorstellen – jetzt scheint es schneller zu gehen
Auf Nachfrage betonte ein Sprecher des Sozialministeriums gegenüber ORF.at, dass es sich bei der Präsentation um eine ernsthafte Reform handle, nicht nur um kleine Schritte – natürlich ohne Details zu nennen. Sozialminister Rauch sagte vergangene Woche, er wolle noch vor dem Sommer eine Pflegereform vorlegen. Er befinde sich mit der Pflegereform in der “Endphase der Verhandlungen” – “Ich kann Ihnen so viel sagen, sie wird noch vor dem Sommer vorgelegt”, sagte er am Rande einer Pressekonferenz.
SPÖ: „Totalversagen“ der Regierung
Im Vorfeld des Pflegetags am Donnerstag kritisierten Oppositionsparteien die noch ausstehende Pflegereform scharf. SPÖ-Sozialsprecher Josef Mucic sprach von einem “Totalversagen der Regierung”. „Die Bundesregierung muss endlich an die Arbeit gehen“, sagte Mucic. Die SPÖ wird deshalb Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) am Donnerstag im Bundesrat einen dringenden Antrag auf Fürsorge stellen. „Wir buhlen um einen Mangel an Pflegekräften mit großen Augen“, begründete Fraktionschefin Corina Schumann die Initiative.
Auch die Sozialdemokraten werden am Donnerstag einen Entschließungsantrag beim Sozialausschuss des Nationalrates einreichen und ihre Forderung nach Anerkennung von Fleiß bekräftigen. Verbraucherschutzsprecher Christian Drobitz sagte, die SPÖ habe auch darauf gedrängt, Zeiten der Pflegeausbildung als Versicherungszeiten für die Rentenversicherung anzuerkennen. Der SPÖ-Rentnerverband hat ein eigenes Staatssekretariat für Pflege beantragt.
FPÖ: Viele Baustellen im Pflegebereich
Frauen- und Seniorensprecherin Rosa Ecker bedauerte im Namen der FPÖ, dass es „noch viele ungelöste Baustellen für Pflegekräfte und ihre Angehörigen“ gebe. Die Regierung beschäftigt sich nur mit sich selbst, Minister werden ständig ausgetauscht, aber im Pflegebereich tut sich objektiv nichts.
Debatte
Welche Veränderungen sind im Pflegebereich notwendig?
Sie wies auch darauf hin, dass „der größte Teil der Pflege“ als häusliche Pflege von Verwandten, Eltern, Ehepartnern, Partnern, Töchtern und Söhnen geleistet wird. „Schon jetzt herrscht in der Pflege ein offensichtlicher Personalmangel. „Viele Krankenschwestern denken darüber nach, ihren Job zu kündigen und denken nicht daran, ihre Stundenzahl zu erhöhen. Der Drang, Krankenschwester zu werden, ist ‚mehr als beherrschbar‘“, sagte Ecker.
NEOS: „Gute Worte helfen niemandem“
NEOS-Gesundheitssprecherin Fiona Fiedler verwies auf die jüngere Vergangenheit und darauf, dass der frühere Gesundheits- und Sozialminister Rudolf Anshober bereits bei seinem Rücktritt gesagt habe, „wie froh er ist, dass die Pflegereform so gut wie abgeschlossen ist“. Auch sein Nachfolger Wolfgang Mukstein betont regelmäßig, wie viel Arbeit bereits an der Pflegereform geleistet wurde.
“Gute Worte helfen niemandem”, sagte Fiedler. Notwendig sind bundeseinheitliche Rahmenbedingungen und Ausbildungsangebote, einheitliche Pflegeschlüssel und Pflegestandards in allen Bundesländern, Anerkennung von Pflegeleistungen und Erstellung eines Leistungskatalogs sowie Reform der Berufsbilder.
Diakonie: Reform der Rot-Weiß-Rot-Karte
Die Diakonie forderte am Mittwoch eine Reform der Rot-Weiß-Rot-Karte für Pflegekräfte. „Die Rot-Weiß-Rot-Karte wird derzeit in einigen Bereichen reformiert. Hemmnisse für den knappen Beruf Pflege werden nicht beseitigt“, sagte Diakonin Maria Direktorin Katharina Moser.
APA/Hans Punz Diakonie-Geschäftsführerin Maria Katarina Moser fordert einfachere Rot-Weiß-Rot-Karte
Der Leiter der Diakonie wies darauf hin, dass gut qualifizierte Arbeitskräfte in Österreich nicht arbeiten können, weil sie bestimmte Kriterien nicht erfüllen. So forderte sie beispielsweise eine Anhebung der Altersgrenze für alle Berufe mit Behinderung – insbesondere aber für den Pflege- und Pflegebereich. Auch Sprachkenntnisse sollten berufsspezifisch eingeschätzt werden: So seien Englischkenntnisse für Pflegeberufe „sicherlich nicht entscheidend“ – mehr dazu bei religion.ORF.at.
Caritas: Ich kann nicht mehr warten
Die Caritas, deren Präsident Michael Landau bereits vergangene Woche vor einer „Pflegekatastrophe“ gewarnt hatte, bekräftigte seine Forderungen. „Personalmangel, überarbeitete Pflegekräfte und die aktuelle Inflationswelle – wir können nicht länger auf die Pflegereform warten“, sagte Generalsekretärin Anna Parr.
Die Unterstützungsorganisation fordert die Stärkung pflegender Angehöriger
Bereits in der vergangenen Woche hatte der Trägerverein seine Kritik an der anstehenden Pflegereform bekräftigt. Präsident Otmar Karas nannte es ein “klares politisches Versagen”. Neben der Personaloffensive, um die Lücke von rund 100.000 Beschäftigten zu schließen, forderte er die Stärkung pflegender Angehöriger, die knapp eine Milliarde Euro erfordern werde.
Der Ombudsmann sieht, dass die Menschenwürde auf dem Spiel steht
Ombudsmann Bernhard Achitz erklärte, dass der bundesweite Mangel an Pflegekräften die Menschenwürde, Autonomie und Unabhängigkeit der Bewohner des Heims bedroht. „Mitarbeiter geben unter schwierigsten Umständen ihr Bestes, aber es fehlt die Zeit, Betreuungsaktivierungskonzepte umzusetzen. „Für Menschen in Pflegeheimen kann dies lebensbedrohlich und unmenschlich sein“, sagte er.
Die Wiener Grünen haben eine Arbeitszeitverkürzung auf 35 Stunden bei vollem Lohnausgleich für medizinisches Personal gefordert. Der Verband Gemeinnütziger Arbeitgeber (VKA) forderte die Bundesregierung auf, “ihr Versprechen der Pflegereform endlich in die Tat umzusetzen”.
Wien und Oberösterreich machen Druck
Auch die Bundesländer Wien und Oberösterreich machten in der Vorwoche Druck auf die Pflegereform. Beispielsweise bestand der Wunsch, die Befugnisse des Gesundheits- und medizinischen Personals zu erweitern. Sozialarbeiter beider Länder, Peter Hacker (SPÖ) und Wolfgang Hatmansdorfer (ÖVP), betonten nach einem Arbeitstreffen, dass sie sich gemeinsam mit der Bundesregierung für Gesetzesänderungen einsetzen wollen.
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