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EM: Zinsberger freut sich auf ein „Heimspiel“.

Wer einen Torhüter kennt, weiß, was das bedeutet. Zinsberger sagt nichts und hat immer etwas zu sagen. Doch auch der Gedanke an ein ausverkauftes Stadion am Mittwoch (21 Uhr, live auf ORF1) lässt sie innehalten. „Wenn ich nur daran denke, bekomme ich Gänsehaut. In welche Richtung wir gegangen sind – und dann spielen wir gegen England im Old Trafford. Muss ich mehr sagen? Wenn du da nicht motiviert bist, weiß ich nicht mehr.”

Rund 74.000 Zuschauer in Manchester stellen einen EM-Rekord auf. Zinsberger war schon einmal Teil eines Rekordspiels auf der Insel, als Arsenal im Nord-Londoner Derby 2019 vor rund 40.000 Fans auswärts gegen Tottenham spielte. Doch der Start der EM übertrifft diese nicht nur zahlenmäßig. “Es wird schon beeindruckend sein, was dort angehoben wird, allein von der Veranstaltung her.” Es geht um den Wechsel, das Spiel zu genießen und alles zu geben“, sagte Zinsberger, der später in England aufbaute.

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„England wird eine ganz andere Nummer sein“

Am Donnerstag flog der ÖFB-Tross mit 55 Spielern und Betreuern aus Wien, für Zinsberger war es ein vertrautes Gefühl. Nachdem sie drei Jahre für die Gunners in London gespielt hat, hat sie mit ihrem Team nun ÖFB-Zelte eine Autostunde südwestlich im Pennyhill Park aufgebaut. Für die Schlusslichterin, wie auch für die meisten ihrer Teamkolleginnen, ist es die zweite EM-Teilnahme. „England wird wieder eine ganz andere Nummer sein“, stellte sie im stimmungsvollen Vergleich zum Turnier in den Niederlanden, ihrem Halbfinaleinzug 2017, fest.

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Das liegt nur am Startspiel, aber nicht nur. Gruppe A sieht sich ebenfalls einer starken Konkurrenz durch die Gastgeber und Norwegen gegenüber, aber die Auswahl ist der Aufgabe gewachsen. „Wenn ich mir die Mannschaft anschaue, sehe ich Spieler, die Großes erreichen und auf dem Platz ihr Bestes geben wollen. Ich sehe das Funkeln in ihren Augen und das Feuer in ihrem Sitz. Wir lassen alles auf dem Feld. Wenn doch, haben wir uns nichts vorzuwerfen“, sagte Zinsberger.

Nur noch einen Titel entfernt mit Arsenal

Sie lebt seit drei Jahren in London und hat sich als Arsenals Nummer eins etabliert. Immerhin spielte sie zuvor für den FC Bayern München, doch der Sprung auf die Insel ist sportlich vorteilhafter als zunächst gedacht. „Als ich Bayern verließ, dachte ich, ich hätte noch zehn Prozent im Tank, aber mir wurden neue Türen und neue Perspektiven aufgezeigt, da waren noch 30, 40, 50 Prozent. Dann öffnete sich mein Herz. Natürlich würde ich gerne den einen oder anderen Titel mitnehmen.“ Vorerst seien es persönliche Auszeichnungen gewesen, etwa „Saison retten“ in der Saison 2020/21 nach dem Spiel gegen Tottenham.

Mit den Bayern wurde sie zweimal Deutscher Meister und beendete diese Saison nur einen Punkt hinter Stadtrivale Chelsea. Nach 13 Gegentoren wurde Zinsberger bereits mit dem „Goldenen Handschuh“ ausgezeichnet. „Ich habe nicht nur ein paar Spiele gemacht, insgesamt bin ich mit meiner Leistung und Entwicklung zufrieden, aber man kann natürlich immer besser werden. Schließlich wäre es schön, nicht nur den Goldhandschuh, sondern auch den Pokal in die Höhe zu heben. Aber nächstes Jahr heißt es wieder angreifen und auf jeden Fall brauchen wir einen Titel“, betonte Zinsberger, der mit Laura Wienreuther eine zweite Österreicherin im Team hat.

In der nächsten Saison sind die Big Six der Men’s Premier League – Arsenal, Chelsea, Liverpool, Manchester City, Manchester United und Tottenham – vollständig in der Women’s Super League vertreten, nachdem Liverpool sich zurückgekämpft hat. Anders als in Österreich, wo die Topklubs noch schmücken, entwickeln sich die englischen Topklubs mit.

Natürlich soll die Endrunde der Europameisterschaft dazu beitragen, die Popularität weiter zu steigern. „Die Professionalisierung in England läuft sehr gut, auch die BBC und Sky Sports versuchen, den Frauenfußball zu fördern“, sagte Zinsberger. „Und natürlich kann man öfter im Emirates Stadium spielen, aber trotz des breiten Sportangebots kommen immer noch 4.500 Zuschauer. Das finde ich sinnvoll. Hier wird Fußball einfach gelebt.”

“Ich kann etwas beiseite legen”

In England lebte Zinsberger seinen Traum, der im Alter von sechs Jahren begann. Die langjährige und vor allem verlässliche Stütze der Österreicher startete in Niederfellabrunn in Niederösterreich und spielte erstmals in einem Verein in Leitzersdorf. Über Neulengbach ging es zum FC Bayern und dann nach London, wo er mittlerweile auch finanziell erfolgreich ist.

„Ich lebe vom Profifußball, das kann ich jetzt sagen, darauf habe ich hingearbeitet. Ich kann auch von meiner Seite etwas einbringen, aber wir denken noch lange nicht, dass ich aufhöre und mich zurücklehne.“ Das liegt nicht in der Natur der Torhüterin, die weiß, woher ihre Wurzeln kommen. „Ich bin immer noch da der Kleine aus Niederfellabrunn.” Und das am Mittwoch mitten im großen Old Trafford.