Ionenkanal in Nervenzellen
20. Juli 2022 22:31 Uhr Robert Klatt
- Neue Methode der Magnetstimulation ermöglicht gezielte Aktivierung von Neuronen in Fruchtfliegen
- Dazu werden Nanopartikel, die mit einem Magneten erhitzt werden können, in die Ionenkanäle des Nervensystems der Insekten implantiert.
- Die Technologie soll künftig die Grundlage für medizinische Anwendungen bilden und Blinden das Augenlicht zurückgeben
Die Neuronen einer gentechnisch veränderten Fliege lassen sich durch implantierte Nanopartikel fernsteuern. Langfristig wird die Magnetstimulation in der Medizin zum Einsatz kommen, um beispielsweise Blinden das Sehen zu ermöglichen.
Houston (USA). Ein Team von Neurowissenschaftlern der Brown University und des Baylor College of Medicine unter der Leitung von Jacob Robinson von der Rice University hat eine drahtlose Technik entwickelt, die es ihnen ermöglicht, Neuronen in Fruchtfliegen nahezu in Echtzeit selektiv zu aktivieren. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse können zukünftig als Grundlage für verschiedene medizinische Anwendungen dienen.
„Um das Gehirn zu untersuchen oder neurologische Erkrankungen zu behandeln, suchen Wissenschaftler nach Werkzeugen, die sowohl unglaublich präzise als auch minimalinvasiv sind. Die Fernsteuerung ausgewählter neuronaler Schaltkreise mit Magnetfeldern ist so etwas wie der heilige Gral der Neurotechnologie. Unsere Arbeit ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung, denn sie erhöht die Geschwindigkeit der magnetischen Fernbedienung und bringt sie näher an die natürliche Geschwindigkeit des Gehirns heran“, erklärt Robinson.
Neuronen werden durch einen Ionenkanal aktiviert
Laut Robinson kann die neue Technologie Neuronen etwa 50-mal schneller aktivieren als bisher verwendete Magnetstimulationstechnologien. „Wir haben Fortschritte gemacht, weil der Hauptautor Charles Sebesta die Idee hatte, einen neuen Ionenkanal zu verwenden, der empfindlich auf die Geschwindigkeit der Temperaturänderung reagiert. Durch die Zusammenführung von Experten aus Gentechnik, Nanotechnologie und Elektrotechnik konnten wir alle Teile zusammenfügen und beweisen, dass diese Idee funktioniert. Es war wirklich eine Teamleistung von Weltklasse-Wissenschaftlern, mit denen wir das Glück hatten zusammenzuarbeiten“, sagte Robinson.
In Fruchtfliegen injizierte Nanopartikel
In ihrer Veröffentlichung in der Fachzeitschrift Nature Materials erklären die Forscher, dass sie im Nervensystem der Fruchtfliege gentechnisch einen speziellen Ionenkanal exprimiert haben, der durch Hitze aktiviert werden kann. Um den Kanal „fernsteuern“ zu können, implantierten die Forscher Nanopartikel in die Fliegen, die sich mithilfe eines Magnetfelds im Körper des Insekts erhitzen ließen.
Anschließend legten sie die gentechnisch veränderten Tiere in eine Schale, auf der eine Kamera und ein Elektromagnet platziert waren. Sie konnten die Bewegungen und Reaktionen der Fliegen auf das Magnetfeld detailliert dokumentieren.
Entwicklung von Gehirnkommunikationstechnologien
„Langfristiges Ziel dieser Arbeit ist es, Methoden zu entwickeln, mit denen sich ohne chirurgischen Eingriff bestimmte Hirnregionen beim Menschen zu therapeutischen Zwecken aktivieren lassen“, erklärt Robinson. Diese Technologie könnte in Zukunft beispielsweise Blinden durch gezielte Stimulation der entsprechenden Hirnareale das Augenlicht zurückgeben.
„Um der natürlichen Präzision des Gehirns gerecht zu werden, müssen wir wahrscheinlich eine Reaktion im Bereich von wenigen Hundertstelsekunden erreichen. Wir haben also noch einen langen Weg vor uns“, sagte Robinson.
Naturmaterialien, doi: 10.1038/s41563-022-01281-7
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