Stand: 14.04.2022 14:56 Uhr
Die EZB beließ den Leitzins im Euroraum bei null. Eine Zinswende wurde diskutiert – beschlossen wurde aber nichts. Verliert die EZB die Kontrolle über die Inflation?
Der Leitzins im Euroraum verharrt auf einem Rekordtief von null Prozent. Das hat der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) heute in Frankfurt beschlossen, teilte die Notenbank mit. Die EZB bestätigte auch ihren Zeitplan für die Beendigung der milliardenschweren Anleihekäufe im Rahmen ihres APP-Kaufprogramms für das dritte Quartal.
Währungsbeobachter um Christine Lagarde ziehen daher die Zügel der Geldpolitik weiterhin äußerst vorsichtig an. Die globalen Zentralbanken sind derzeit mit schnell steigenden Inflationsraten konfrontiert; das Hauptziel der Geldpolitik, nämlich die Stabilität der Währung, steht auf dem Spiel.
Der Euro fällt auf die erste Reaktion
Während die US-Notenbank die Zinsänderung bereits umgesetzt hat und die norwegische Notenbank den Leitzins im März zum dritten Mal auf 0,75 Prozent anhob, bleibt die EZB zögerlich.
Daher muss sich der Zinsabstand zwischen dem Dollar und dem Euroraum vorerst weiter zugunsten des Dollars öffnen. Das wirkt sich auch auf den Devisenmarkt aus: Nach der EZB-Zinsentscheidung fiel der Euro auf 1,0888 Dollar von zuvor 1,0915 Dollar.
Es gibt keine Zinswende – trotz Rekordinflation
Die Inflationsrate im Euroraum erreichte im März mit 7,5 Prozent den höchsten Stand seit Einführung des Euro als Verrechnungswährung im Jahr 1999 und übertraf damit erneut deutlich die Zielmarke der EZB von zwei Prozent.
Aber die Zeit für eine Zinswende ist nach der Sitzung des EZB-Rats noch offen. Klar ist nur, dass vor dem dritten Quartal nichts passieren wird. Denn Währungsbeobachter haben zugesagt, die Zinsen erst nach Ende der Nettokäufe anzuheben. Während die Falken, die eine straffere Geldpolitik befürworten, im EZB-Rat bereits auf eine erste Zinserhöhung im dritten Quartal drängen, dürften vorsichtigere Tauben erst zum Jahresende eine Zinswende hinnehmen.
“Dieses Warten ist riskant”
Angesichts der zögerlichen Haltung der EZB warnen einige Ökonomen bereits davor, dass die Währungshüter die Zügel verlieren und die Kontrolle über die Inflationserwartungen verlieren könnten.
„Leider hat sich die EZB trotz Inflation von 7,5 Prozent nicht entschieden, ihre Netto-Anleihekäufe und Negativzinsen früher zu beenden. Dieses Warten ist riskant“, warnt Jörg Kramer, Chefvolkswirt der Commerzbank. „Je länger die EZB an ihrer sehr lockeren Geldpolitik festhält, desto mehr steigen die Inflationserwartungen der Menschen und eine sehr hohe Inflation wird dauerhaft.
Angst vor wirtschaftlichem Abschwung
Was die Entscheidung für die EZB auf den ersten Blick so schwer macht: Nicht nur die Geldwertstabilität im Euroraum steht auf dem Spiel, sondern auch die Wirtschaft. Einige Ökonomen befürchten, dass die EZB die von Engpässen und steigenden Energiekosten gebeutelte Wirtschaft abwürgen und die Volkswirtschaften der Mitgliedsländer durch zu schnelle Zinserhöhungen in eine Rezession führen könnte.
Aber steht die EZB wirklich vor einem so großen Dilemma? ZEW-Experte Friedrich Heinemann verweist zu Recht auf die europäischen Verträge: „Hier finden Sie eine klare Antwort darauf, wie die EZB in einer solchen Situation entscheiden muss: Preisstabilität ist das oberste Ziel, andere Ziele sind nachrangig.“ Jeden Monat Zögern schadet dem Ruf dieser wichtigen europäischen Institution.
Tatsächlich besteht das gesetzliche Mandat der EZB nur darin, stabile Preise zu garantieren. Demgegenüber verfolgt beispielsweise auch die US-Notenbank das Ziel der Vollbeschäftigung.
EZB – Hitzige Diskussionen über den richtigen Kurs
Mischa Erhard, DLF, 14.04.2022, 14:57 Uhr
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